Es gab viele Putsche und Revolutionen im Land im Laufe der thailändischen Geschichte, alleine in den letzten 30 Jahren hat rund 18 Mal die Regierung gewechselt hat – also rund alle 1,6 Jahre. Mit oder ohne Hilfe des Militärs. Aber dass den Thailändern noch einmal der Geduldsfaden reißt und sie aufbegehren gegen die Diktatur, das kann ich mir nicht vorstellen.
Eine Revolution des Volkes? Niemals! Die junge Generation lässt sich nicht einen, sie sind auch viel weniger an Politik interessiert als die vorangegangene Generation. Viele wissen ja nicht einmal, was in diesem Land passiert. Die mobilisierst du nicht mehr und bringst sie auf die Straße. Und diejenigen, die politisch interessiert sind, haben Angst.
Thailand hat eine „smarte Diktatur“, denn in Thailand sieht man keine Panzer auf den Straßen oder Soldaten, die Leute zusammentreiben. Stattdessen kommt die Polizei zu Demonstrationen, macht Fotos und notiert Namen. Das erzeugt ebenfalls Furcht. Verhaftet nicht 500 Regimegegner, sondern klagt nur einen Einzigen an! Die Botschaft ist trotzdem klar. Und das Ergebnis ein Klima der Angst. Vor allem bei den Medien. Keine einzige Zeitung habe etwa über das → Verschwinden des Verfassungsdenkmals berichtet – ein Symbol der Freiheit, das an den Sieg der Demokraten über einen Aufstand royalistischer Rebellen 1932 erinnerte.
DIE SITUATION – 2013
Um weitere Unruhen im Land zu vermeiden hat Yingluck am 09.12.2013 das Parlament aufgelöst und Neuwahlen in Thailand angekündigt, sollte die thailändische Bevölkerung doch ein anderes Staatsoberhaupt wünschen.
Das findet der Oppositionsführer und frühere Vize-Premierminister Suthep Thaugsuban aber gar nicht gut, können doch seine „Gelb-Hemden“ die Neuwahlen mit einer städtischen Minderheit niemals gewinnen. Wie übrigens in den letzten 20 Jahren. Daher fordert er kurzerhand die Einstellung der Demokratie in Thailand und direkte Übergabe der Regierungsgewalt. Und zwar an ihn und sofort. Keine Übergangsregierung, sondern eine Führungsriege, die auch er bestimmt.
Das ist doch nicht demokratisch, wird jetzt der ein oder andere aufschreien. Richtig, ist es auch nicht. Und behauptet ja auch keiner. Demokratie ist in den Augen der Opposition eben einfach nicht die richtige Staatsform für Thailand – egal was die Mehrheit der Thailänder will. Manchmal muss man Menschen eben zu ihrem Glück zwingen. Aber dazu braucht die Minderheit das Militär.
Das Militär in Thailand hat schon oft geputscht und die Regierung übernommen. Zuletzt im September 2006, was zum erwähnten Rücktritt und Exil von Thaksin geführt hat.
Angeklagt wegen Korruption, Mord etc. wurden oder sind übrigen alle hohen Politiker in Thailand. Yingluck, Thaksin und Suthep sind da keine Ausnahmen. Die Thais kommen also bestenfalls vom Regen in die Traufe…
DIE SITUATION – 2014
Wie erwartet hat das Militär geputscht und die Macht übernommen. Keine wirkliche Überraschung für Thais, höchstens für westliche Gutmenschen. Thailand ist ein zerrissenes Land. Rothemden und Gelbhemden, vereinfacht gesagt, Landbevölkerung gegen städtische Eliten liefern sich blutige Straßenschachten. Premierministerin Yingluk Shinawatra wurde geschasst, nachdem man bereits ihren Bruder aus dem Regierungspalast gejagt hatte, den Telekommunikationsmilliardär Taksin. Es gibt Tote und Verletzte, die Armee eröffnete das Feuer.
Prayut Chan-o-cha, Oberkommandierender des thailändischen Heeres. hat am 20. Mai 2014 das Kriegsrecht ausgerufen. Am 21. August 2014 wählte ihn das von der Militärführung eingesetzte Übergangsparlament auch formell zum Ministerpräsidenten.
Ein Putsch in Thailand ist zudem nicht vergleichbar mit anderen Kontinenten oder Ländern, wo Milizen nach einem Putsch von Dorf zu Dorf fahren und die ethnische Gegenseite der Bevölkerung abschlachten.
In Europa ist die Situation weitaus schlimmer und mit Toten, scharfer Munition, langjährige Haftstrafen für Demonstranten und Zensur.
Dabei fällt mir gerade die kleine Balkanreiberei in Europa ein. Die Belagerung Sarajevos mit 1.425 Tagen, also knapp 4 Jahren, war übrigens die längste Belagerung im 20. Jahrhundert. Die Luftbrücke, die zur Versorgung von hunderttausenden eingeschlossenen Menschen aufrechterhalten wurde, dauerte länger als die Berliner Luftbrücke. Viele tausend Serben, darunter viele Kinder und Frauen wurden bei der Belagerung getötet. Oder das Massaker von Srebrenica, bei dem über mehrere Tage hinweg und unter Beobachtung von Blauhelmen vor Ort 8.000 Serben getötet wurden, und das als Völkermord klassifiziert worden ist.
In Europa ist die Situation weitaus schlimmer und mit Toten, scharfer Munition, langjährige Haftstrafen für Demonstranten und Zensur. Seit vielen Jahren. Spontan und aktuell fallen mir da der Maidan in der Ukraine und der Taksim-Platz und Gezi-Park in der Türkei ein. 8.000 Demonstranten verletzt, Regimekritiker und Anwälte massenweise verhaftet und verschwunden. Da werden die Grundprinzipien einer freiheitlichen Demokratie mit Füßen getreten.
Doch zurück zu Thailand: Es ist es oftmals besser, dass das Militär ein- und durchgreift, bevor die Lage eskaliert und ein Bürgerkrieg ausbricht. Auch wenn dadurch die Demokratie fehlt. In Thailand ist die Lage friedlich. Und Thailand war und ist sicher. Ja, es gibt es ein Demonstrationsverbot, eine Ausgangssperre von 22:00 bis 06:00 und Zensur. Da bleibt man eben zu Hause und erledigt alles vorher. Ist mir auch schon in Thailand vor ein paar Jahren passiert. Neuwahlen hat das Militär erst in 19 Monaten in Aussicht gestellt. Der König, den alle Thais lieben und verehren, hat übrigens offiziell und im Nachhinein die Machtübernahme des Militärs abgesegnet. Das ist gut so, denn dadurch wird die Machtübernahme von den meisten Thais viel leichter akzeptiert.
DIE SITUATION – 2017
Der thailändische König Bhumibol Adulyadej ist im Oktober 2016 im Alter von 88 Jahren gestorben. Er starb in einem Krankenhaus in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Der Militär- und Regierungschef Prayut Chan-o-cha ordnete ein Jahr Staatstrauer an, das nächsten Monat abgelaufen ist. Danach wird der Leichnam des Königs verbrannt werden. Sein 64 Jahre alter Sohn Maha Vajiralongkorn ist der neue König (König X) und wird längst nicht so verehrt wie sein Vater, da er als Lebemann und Playboy ein Leben außerhalb Thailands geführt hat und in Thailand weder bisher in Erscheinung getreten ist noch Land verbunden war.
Das Militär hält weiterhin an der Macht fest und Wahlen sind nach wie vor kein Thema. Stattdessen wurde nun auch Haftbefehl gegen die Schwester des bereits aus dem Land gejagten ehemaligen Präsidenten Thaksin Shinawatra vom obersten Gericht in Thailand, die ehemalige Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra, erlassen. In dem Verfahren gegen Yingluck geht es um ein System zur Subventionierung des Reisanbaus. Dabei kaufte der Staat armen Landwirten Reis zum doppelten Marktpreis ab um Wählerstimmen zu kaufen.
Yingluck hat sich, wie ihr Bruder, ins Ausland abgesetzt, da sie angeblich vom Militär keinen fairen Prozess erwarten kann.
DIE SITUATION -2019
Im März 2019 ließ die Junta – nach mehrfacher Verschiebung – eine → Parlamentswahl abhalten.
Bei der ersten Wahl seit dem Putsch der Militärs im Mai 2014 landete ihre Partei Phalang Pracharat (PPRP) laut ersten Ergebnissen des Wahlrats gleichauf mit der Pheu Thai Partei – der Partei der gewählten Premierministerin Yingluck Shinawatra, die von den Generälen gestürzt wurde. Vorsichtshalber hatte sich die Junta bereits vor zwei Jahren eine neue Verfassung absegnen lassen.
Das thailändische Parlament, die Nationalversammlung, besteht aus zwei Kammern: einem → Repräsentantenhaus mit 500 und einem → Senat mit 250 Mitgliedern. Nur das Repräsentantenhaus wurde bei dieser Wahl gewählt. Die 250 Senatoren wurden vom „Nationalen Rat zur Erhaltung des Friedens“ ernannt. Bei der Wahl des Ministerpräsidenten stimmen alle 750 Mitglieder der Nationalversammlung – beide Kammern – gemeinsam ab. Da die Senatoren von der Junta ernannt sind, stimmten sie für Prayut Chan-o-cha als Ministerpräsidenten. Dieser brauchte demnach nur noch 126 Stimmen aus dem Repräsentantenhaus. Ein Kandidat der bisherigen Opposition hätte hingegen 376 Stimmen im Repräsentantenhaus gebraucht, da er nicht mit Unterstützung aus dem Senat rechnen konnte.
Prayut Chan-o-cha wurde damit nach den Wahlen im Amt als Ministerpräsident bestätigt.
FAZIT
Als Ausländer durchschaut man dieses Spielchen zwischen Regierung, Opposition und Militär nur schwer.
Thailänder sehen, dass ein Putsch friedlich ist. Mehr interessiert sie nicht. Sie regen sich nicht auf über die Militärjunta, sondern über die Demonstranten auf der Straße und sagen: Das sind Unruhestifter, die produzieren nur wieder neues Chaos im Land. Schwer zu sagen, was passiert und ob einer Mehrheit der Menschen irgendwann der Geduldsfaden reißt. Aber eine Menge Leute haben sich einfach an die Lage gewöhnt.